Norwegen für Austauschstudenten

Das wars! Norwegen ist vorbei. Von Sommer 2002 bis Sommer 2003 studierte ich an der Uni Oslo Informatik. Hier habe ich versucht, einige Informationen zusammenzutragen, die ich damals gerne gelesen hätte:

Ausgangspunkt

Norwegen ist schön. Jemand sollte in Norwegen studieren. Etwa ich. Einen Sprachkurs hatte ich bereits, mehr zum Spaß, im SS2001 angefangen.

Organisation

Da die Informatik in Freiburg keinen Kontakt zu norwegischen Unis hat, fragte ich den Sokratesberater der Skandinavisten, und siehe da, die Skandinavistikstudenten hatten mir einen Austauschplatz übriggelassen.

Fachfremde werden idR akzeptiert, wenn noch Platz ist und die Auslandszuständige von der entsprechenden Fakultät der ausländischen Uni den Fachfremden aufnehmen mag. Ich hatte nachgefragt, und sie hatte nix dagegen.

Ich mußte die Standard-EU-Formulare (die im WÖRD-Format bei der EU zu haben sind... ARGH! Als gäbe es keine Viren und kein PDF...) ausgefüllt hinschicken. Dann kam eines Tages ein "Letter of Acceptance", dem eine "Declaration of Acceptance" beigefügt war. Letztere füllte ich wiederum aus und kreuzte auch den Wunsch nach einem Wohnheimzimmer an.

Parallel dazu bekam ich vom hiesigen Sokratesberater Anmeldematerial für einen Intensivsprachkurs (ILPC) der Uni dort zugeschanzt, bei dem ich mich auch anmeldete. Leider gab es Fortgeschritten nur in Trondheim und in Oslo nur Anfänger. Ich wählte also den Sprachkurs in Oslo.

Ausländerstatus

Als EU-Ausländer-Student muss man eine Oppholdstillatelse beantragen. Früh aufstehen, zur Polizei nach Grønland gehen. Je nachdem, welcher Sachbearbeiter welche Version der Richtlinien umsetzt, muss man eine Teilmenge des Folgenden einbringen:

Schon nach wenigen Monaten (bei mir drei) flattert ein laminiertes Kärtle ins Haus, das zum Aufenthalt berechtigt. Der einzige reale Zweck ist, dass man damit endlich eine Steuerkarte (hab ich nicht gemacht) beantragen kann und eine Personnenummer bekommt. Letztere bekommt man nur für Aufenthalte über sechs Monaten.

Personennummer braucht man einfach. In vielen Formularen ist sie Pflicht, und ohne ist man etwa so viel wert wie ohne Nachnamen. Ein Bankkonto gibt es nur mit Personennummer. Es gibt provisorische Nummern, die etwa Banken für ihre ausländischen Kunden beantragen können (D-Nummern heißen die wohl). Auf dem Ohr sind alle von mir darauf angesprochenen Bankangestellten taub. Angeblich gibt es einen Paragraphen im Bankgesetz, der die Banken verpflichtet, ihren Kunden nötigenfalls so eine Nummer zu beschaffen, aber auch da kenn ich nur einen erfolgreichen Fall.

Der Sprachkurs

Der vierwöchige Kurs fing am Montag nach der letzten Freiburger Sommersemesterwoche an, empfohlene Ankunft am Sonntag. Mit der Anreise blieb mir also fast gar keine Zeit dazwischen.

Leute, macht so einen Sprachkurs! Nicht nur, dass man schnell in die Sprache reinkommt, man kann sich auch vier Wochen ans Land gewöhnen, ehe der Uni-Betrieb dazukommt. Und man sieht mehr vom skandinavischen Sommer. Und man hat gleich einen konstanten Bekannten- und Leidensgenossenkreis, mit dem man fünf Tage in der Woche (und naheliegenderweise dann auch das Wochenende) verbringt.

Die Uni

Die Informatik in Oslo ist nicht wirklich darauf optimiert, Erasmusstudenten einen gemütlichen Start zu bereiten: fast alle Veranstaltungen sind auf Norwegisch (ich empfand das eher als Vorteil), und wenn man den Studweb-Account (zum Anmelden zu Vorlesungen) endlich hat (gibts in der Erasmus-Startpapieremappe), ist die reguläre Anmeldezeit vorbei und man muss auf Restplätze in den Vorlesungen und übungen hoffen. Ich hatte Glück. (Andere Fakultäten fangen meist später an, also ist für euch Zahnmediziner und Politikwissenschaftler Aufatmen angesagt).

Generell kommt man in fortgeschrittene Kurse bloß rein, wenn man die zugehörigen Anfängerkurse schon gemacht hat. Oder wenn Frau Studiekonsulent eine Ausnahmegenehmigung einträgt. Dazu will sie aber den ECTS-Katalog sehen. Gibts in der Freiburger Informatik nicht. Für die Inhalte der Informatik-Grundvorlesungen genügte anschauliche Argumentation (ja, ich hab schon mal einen Baum gesehen! Ehrlich!), für die Mathegrundvorlesungen schrieb dann der FR-Informatik-Erasmuskontaktmensch eine inhaltliche Bestätigung.

Vom Niveau her fühlte ich mich eher unterfordert. Vielleicht hatte ich zu niedrige Kurse ausgewählt, aber auch die Compilerbauvorlesung mit der 300er Kursnummer wich konsequent allen Tiefen aus. Eine Ausnahme stellt der Betriebssystemkurs dar: man muss vorlesungsbegleitend ein kleines Betriebssystem (mit Multitasking, IPC und virtuellem Speicher) für Intel-PCs designen und implementieren. Mach diesen Kurs (Kenntnisse in C und IA32-Assembler vorausgesetzt), er lohnt sich (und sei es nur, weil man jede Woche stundenlang mit seinerm TeampartnerIn zusammensitzt und sich nicht so einsam fühlt -- Hallo Yan, liest du das? ).

Anreise

Für mich als Süddeutschen gab es doch einige Möglichkeiten, nach Norwegen zu kommen:

Sprache

Ich habe vorher drei Semester Norwegischkurs an der Uni Freiburg belegt. Im Grunde hätten es ein oder zwei auch getan; das Schwierigste ist das Sprechverstehen, und das lernt man eh nur in der Praksis. Mit dem Hat-der-das-jetzt-auf-Norwegisch-oder-auf-Deutsch-gesagt-Punkt kann man nach ungefähr drei Monaten rechnen, so meine Erfahrung.

Web-Radio und Zeitungen

Zusätzlich empfehlenswert ist fürs Sprechverstehen daheim Norwegisches Radio, dessen Bayern2-Äquivalent NRK P2 als MP3-Stream in ordentlicher und satter Qualität über HTTP-Streaming angehört werden kann. Nicht beabsichtigt aber möglich ist das automatisierte Aufnehmen bestimmter Zeiträume mit wget oder ähnlichen HTTP-Runterladern. Ich empfehle 128kb, wenn man es irgendwie beschaffen kann -- zB ist der Østland-Dialekt etwas leichter zu verstehen, wenn die Reste der vielen verschluckten Silben nicht rausgerechnet werden.

Außerdem gibt es Zeitungen wie Aftenposten mit aktuellen Nachrichten auf ihrer Homepage.

Empfehlenswert ist auch das online verfügbare Wörterbuch Bokmålsordboka und Nynorskordboka.

Fagspråk

Norweger vernorwegern eher mehr Informatikfachausdrücke als deutsche Informatiker. Ich habe mit Hilfe von Google (eingeschränkt auf norwegischsprachige Seiten) ein paar mathematisch-informatische Texte gesammelt, in denen in typischer Weise mit mathematischen Fachausdrücken geworfen wird.

Wohnen und Fahren in Oslo

Freihändige Wohnungssuche in Oslo ist wohl möglich, aber eine Frage der Ausdauer (zumal die Mieten das Münchner Niveau nochmal merklich überschreiten). Ich nahm also den angebotenen Wohnheimplatz (etwa 300EUR warm für 12 Kvadrat in 7er WG und damit günstig).

Als Ausländer landet man eigentlich immer im Wohnheim Kringsjå. Vorteile: Badesee (Sognsvann) und Nordmarka (kilometerweise einsamer Wald) quasi direkt ums Eck. T-Bane (so ne Art U-Bahn) so nah wie nur denkbar, erreicht die Uni ohne Umsteigen in nur etwa zehn Minuten. Nachteil: Betonquadersiedlung mit runden dreitausend Einwohnern. Wie die Stusie, nur dass die Klötze größer sind. Und man kann mit Pech eine WG mit sechs bekennenden Nichtspülern, die nachts Saxophon spielen, erwischen. Das blieb mir allerdings erspart.

Ins Zentrum (sagen wir Rathausplatz) ist man zu Fuß über eine Stunde unterwegs (Uni Blindern ca. 30min, Studentenkulturzentrum Chateau Neuf ca. 45min, beides mit langen Beinen). Die T-Bane schafft es in ca. 20min bis runter. Kringsjå liegt außerdem auf etwa 180 Höhenmetern, was Benutzern von Eingangfahrrädern durchaus auffällt.

Einkaufen

Futter

Norwegen ist teuer. Umrechnen ist zwecklos; der Liter Milch kostet eh überall über einen Euro, und wenn man am Ende etwas gekauft haben will, kann man sich nur auf relative Preisvergleiche verlassen. Für Obst und Gemüse empfiehlt sich ein Ausflug nach Grønland, wo es viele Einwandererläden gibt. Ansonsten gibt es tendenziell billigere (Rema1000, Bunnpris, Kiwi, Rimi) und eher teurere (Spar, Ica, Meny) Supermärkte, aber das hat man eh bald raus. Widersteh dem Reflex, ein Jahr nur von Fünfkronenbrot und Kartoffeln leben zu wollen: das macht unglücklich, und in der dunklen Jahreszeit ist das eine schlechte Ausgangsposition. Was sich auszahlt, ist der Verzicht auf das teure norwegische Bier, das nur Norweger lecker finden.

Gebrauchtes

Wer ein Fahrrad oder einen Sessel oder eine Thermoskanne oder eine Jacke oder so sucht, sollte die Loppemarked-Saison im Herbst abwarten (2002 fing sie etwa Ende August an). Fast alle Schulen und Kirchengemeinden verramschen für einen wohltätigen Zweck (etwa das eigene Schulmusikkorps... naja, nennen wir es einen nichtkommerziellen Zweck) allerlei Zeug (Küchenkram, Möbel, Kleidung, Bücher, Elektro, Krimskrams), das die Gemeindeglieder und Schülereltern übrig haben. Man hat es also handelnderdings immer mit Leuten zu tun, denen es im Grunde egal ist/sein kann, welchen Preis sie erzielen. Besonders gut gefallen haben mir der Loppemarked in der Kringsjå-Kirche (in Sessel-Trage-Entfernung) und die in den Korsvoll- und Tåsen-Schulen.

Ansonsten gibt es große Trödelläden im Dalsbergstien (neben dem Autoverleih) und in einem unscheinbaren Haus in der Schweigaards Gate (würde ich nicht mehr wiederfinden), wo vielleicht Schnäppchen warten.

Fachgeschäfte

Ein paar Einkaufsquellen musste ich erst mühsam zusammensuchen. Die meisten Ketten heißen anders, Drogerien vom Schlage eines Schleckerossmanndmüller gibt es gar nicht.
Papiertaschentücher
habe ich vorwiegend bei der Kitsch-Haushalt-und-Spielzeugkette Nille gekauft. Italienische.
Fahrradteile
für Mountainbikes sind flächendeckend zu haben. Wer aber etwa so etwas Antikes wie eine Dynamolampe oder eine neue Rücktrittnabe sucht, wird eher bei "Rustne Eike", Ecke Oscarsgate/Uranienborgveien fündig.
Computerteile
in neu: keine Ahnung. Gebrauchte externe Tastatur und Maus für mein Notebook fand ich recht günstig bei einem Gebrauchtcomputerladen an der Ecke Pilestredet/Parkveien (von der Tram zu sehen).
Sonstigen Technikkram
würde ich bei Clas Ohlson, Torggata, suchen. Von dort stammt meine Fahrradlampe, das Gaffa-Tape für Hamlet, die schwarzen und weißen Fechthandschuhe für Hamlet, die Magnete für Polonius' Vorhang und weiß der Kuckuck was noch.
Baumarkt
gibt es in Form eines Maxbo im Gewerbegebiet Alnabru, zu erreichen per SL-Bus ab Bussterminalen oder per 25er Bus (Alfaset Gravlund, dann 10min Fußweg). So richtig Spaß machen die Preise nicht.
Kleidung
kaufen dort die meisten bei H&M und ähnlichen Ketten. Wer nicht allen gleichen will, sollte beim Loppemarked zuschlagen (besonders liebe ich die selbstgefüllte Einkaufstüte für 50 Kronen bei der Korsvoll-Skole) oder mal in den UFF-2nd-Handshop in der Storgata schauen (von dort hatte die Hamlet-Aufführung die grünen Hemden).

Krankenversicherung

Entweder verlässt man sich auf den Auslandskrankenschein E111 von der Gesetzlichen und zahlt Zuzahlungen in Arzt und Apotheke sowie den ganzen Zahnarzt selbst, oder man versichert sich privat. Für einen Auslandsaufenthalt eine private Krankenversicherung mit Google zu finden ist knifflig. Ich erwarb schließlich eine bei der DKV (Tarif AVL für Männer meines Alters etwa 22EUR/Monat, Frauen das Doppelte). Nicht auf den letzten Drücker anfangen: ein paar Wochen hat es dann doch mit Bearbeitungszeit und Hin und Her gedauert, bis der Versicherungsschutz da war. Netterweise wurde ich nicht krank, und die eine (von der Zahnärztin vorgedolmetschte) Zahnarztrechnung wurde klaglos akzeptiert.

Telefonieren

Festnetz

In Kringsjå gibt es auf dem Flur ein Telefon für Kringsjå- und 800er-Nummern. Für Heimweh brauchst du also eine Calling Card, zu erwerben überall in Grønland (manche Geschäfte verkaufen Karten 10%-20% unter Nennwert). Viele bunte kurzlebige Marken tummeln sich auf dem Markt. Ich hab unter den billigeren Karten mit Vectone Eurocity die besten Erfahrungen gemacht (am ehesten nachvollziehbare Zeitmessung); 100 Kronen ergeben dort 500 Minuten (aufzubrauchen in zwei oder drei Monaten; geht leichter als man denkt, wenn man Freunde hat).

Mobil

Wer ein Simlock-freies Mobiltelefon hat: mitnehmen. Prepaid-Startpakete gibt es (2003) für 199 Kronen, davon 150 Kronen Startguthaben (anonym! -- Tipp für Privatsphärenfanatiker: damit nach Deutschland roamen). Von meinen Austauschstudenten-Bekannten hatten fast alle Netcom und nur wenige Telenor. Wer Netcom hat und kaum Festnetz anruft, sollte in den "Mthr"-Onlinetarif wechseln und zahlt dann 2 Kronen (statt 3) pro Minute zu Mobiltelefonen (rund um die Uhr) und nur 0,79 Kronen statt 1 für jede SMS, ob In- oder Ausland.

Tipp für einjährige Austausschstudenten: gleich nach der Ankunft ein Prepaid-Paket mit nur 12 Monaten Simlock-Bindungszeit erwerben (ist dann nach dem Auslandsstudium in Deutschland sehr bald frei). Solche Angebote gabs zumindest 2002 noch.

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